Steckbrief: Vasari-Korridor in Florenz
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Steckbrief: Vasari-Korridor in Florenz
Florenz kennt man für große Plätze, Kirchenkuppeln und Gemäldesammlungen. Doch hoch über den Straßen zieht sich ein Bauwerk, das eher im Verborgenen lebt: der Vasari-Korridor. Ein schmaler, fast geheimer Durchgang, der Palazzo Vecchio, Uffizien, Ponte Vecchio und Palazzo Pitti miteinander verbindet.
Ein Bauwerk, das gleichzeitig unscheinbar und voller Bedeutung ist.
Der schnelle Überblick
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Name: Vasari-Korridor (Corridoio Vasariano)
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Erbaut: 1565, in nur 5 Monaten
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Architekt: Giorgio Vasari
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Auftraggeber: Cosimo I. de’ Medici
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Anlass: Hochzeit von Francesco I. de’ Medici mit Johanna von Österreich
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Länge: etwa 760 Meter
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Breite: durchschnittlich 1,0–1,3 Meter
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Höhe: ca. 3 Meter, schwankt je nach Abschnitt
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Verlauf: Palazzo Vecchio → Uffizien → über Ponte Vecchio → Kirche Santa Felicita → Palazzo Pitti
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Nutzung: sicherer Übergang für die Medici, später auch Kunstgalerie
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Status heute: seit 2016 geschlossen, Wiedereröffnung mehrfach angekündigt (ursprünglich für 2022/23)
Historischer Kontext: Warum überhaupt so ein Gang?
Florenz im 16. Jahrhundert war eine Stadt voller Reichtum, aber auch voller Intrigen. Die Medici hatten politische Gegner, die ihnen nicht wohlgesonnen waren. Öffentliche Auftritte konnten riskant sein. Cosimo I. de’ Medici suchte deshalb nach einer Lösung, die Bewegungen seiner Familie sicherer machte.
Mit dem Vasari-Korridor entstand ein architektonisches Machtinstrument. Er erlaubte schnelle, private Wege zwischen Regierungssitz und Wohnpalast – ohne Kontakt zur Menge, ohne Sicherheitsrisiken. Man könnte sagen: eine Mischung aus Hochsicherheitszone und Komfortgang.
Und ganz nebenbei: Auch Regen, Sommerhitze oder Gedränge spielten für die Medici keine Rolle mehr.
Architektur: unsichtbar, aber raffiniert
Von außen wirkt der Korridor fast banal. Ein zusätzliches Stockwerk über Läden, ein Mauerschlauch entlang der Uffizien. Doch die Raffinesse liegt im Verlauf.
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Startpunkt: Palazzo Vecchio – damaliges Machtzentrum.
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Uffizien: Der Korridor verläuft über die Obergeschosse, heute Teil des Museums.
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Arno-Überquerung: Über die Ponte Vecchio. Hier erkennt man am besten die kleinen Fenster.
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Santa Felicita: Der Gang durchschneidet die Kirche und hat sogar eine Loggia, von der aus die Medici die Messe verfolgen konnten – abgeschottet vom Volk.
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Endpunkt: Palazzo Pitti – der Wohnsitz.
Dass Vasari all das in nur fünf Monaten schaffte, grenzt an Baukunst-Wahnsinn. Man bedenke: kein Beton, keine Maschinen, nur Handarbeit, Stein, Holz, Kalk.
Kleine, oft übersehene Details
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Fenster über dem Arno: Ursprünglich alle gleichförmig. Später ließ Mussolini einige vergrößern, damit Hitler 1939 bei einem Staatsbesuch einen spektakulären Blick auf den Fluss hatte.
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Ponte Vecchio: Bis 1565 wuselten hier Metzger. Cosimo verbannte sie wegen Gestank und Erschütterung – Schmuckhändler zogen ein. Seitdem ist die Brücke weltbekannt für Goldläden.
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Santa Felicita: Die Medici-Loge wirkt von außen unscheinbar, von innen aber fast wie eine private Tribüne.
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Galerie der Selbstporträts: Im 17. Jahrhundert füllte man den Korridor mit hunderten Selbstporträts. Heute lagern viele im Depot der Uffizien.
Zahlen, Daten, Vergleiche
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Baukosten: keine exakten Beträge überliefert, aber Quellen schätzen mehrere zehntausend Scudi – damals ein Vermögen.
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Dauer: nur 5 Monate – zum Vergleich: der Dom von Florenz brauchte fast 140 Jahre.
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Sammlung: über 1000 Selbstporträts aus dem 16. bis 20. Jahrhundert. Namen wie Rubens, Velázquez, Rembrandt sind vertreten.
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Besucherzahlen vor Schließung: ca. 6000–7000 Personen pro Jahr, nur mit geführten Touren. Zum Vergleich: die Uffizien haben jährlich über 4 Millionen Besucher.
Der Korridor ist also eher Nischenkultur als Massenattraktion.
Bedeutung für die Medici
Für Cosimo I. war der Korridor mehr als eine Abkürzung. Er war Symbol. Ein architektonisches „Ich herrsche hier – und zwar über alles, sogar über die Wege der Stadt“. Der Korridor schnitt sogar Privathäuser an. Bewohner mussten umbauen, Mauern wurden durchstoßen. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass öffentliche Interessen gegenüber privaten zurückstanden.
Nutzung im Laufe der Jahrhunderte
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16.–18. Jahrhundert: exklusiver Zugang der Medici.
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19. Jahrhundert: Galeriecharakter verstärkt, Sammlung ausgebaut.
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20. Jahrhundert: stark beschädigt im Zweiten Weltkrieg. Nur die Ponte Vecchio blieb unzerstört – angeblich, weil Hitler sie bewunderte und verschonte.
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Nachkriegszeit: Restaurierungen, begrenzte Öffnungen.
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2016: Schließung wegen Brandschutz, Feuchtigkeit, Fluchtwegen.
Der Korridor und die Kunst
Die Sammlung ist eine der größten Porträtsammlungen der Welt. Ursprünglich initiiert von Kardinal Leopoldo de’ Medici im 17. Jahrhundert. Künstler schickten ihre Selbstporträts als eine Art Visitenkarte nach Florenz.
Heute umfasst die Sammlung Werke von:
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Italienern: Vasari, Pontormo, Bernini
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Flamen und Niederländern: Rubens, Rembrandt, van Dyck
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Spaniern: Velázquez, Goya
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Neuzeitlich: Chagall, De Chirico
Der Korridor war also mehr als Weg – er war auch Museumsgang, eine Chronik der Gesichter.
Zugang heute: Stand der Dinge
2010–2016: Führungen über private Anbieter, streng limitiert. Preise zwischen 45 und 80 Euro, je nach Exklusivität.
2016: Komplettschließung. Grund: keine ausreichenden Notausgänge, keine Belüftung, mangelnder Brandschutz.
2022–2023: Die Uffizien-Direktion kündigte mehrmals eine Wiedereröffnung an. Geplant: täglicher Zugang für bis zu 500 Besucher, moderner Standard, Barrierefreiheit. Eintritt: ca. 45 Euro.
Realität: Immer wieder Verzögerungen. Aktueller Stand – unklar. Wer plant, ihn bald zu besuchen, sollte Geduld mitbringen.
Vergleich mit ähnlichen Bauwerken
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Rom – Passetto di Borgo: verbindet Vatikan mit Engelsburg (Länge: 800 Meter).
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Paris – Les Passages: 19. Jahrhundert, Glasüberdachungen für Flaneure.
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London – Palace of Westminster: unterirdische Gänge für Parlamentarier.
Im Vergleich wirkt der Vasari-Korridor schmaler, aber charmanter. Er hängt nicht im Untergrund, sondern sichtbar über den Köpfen.
Persönliche Einschätzung
Ich erinnere mich an meinen ersten Blick nach oben auf der Ponte Vecchio. Da war er – ein schmaler, steinerner Schlauch, vergitterte Fenster, fast übersehen. Irgendwie unspektakulär. Und gleichzeitig: Gänsehaut. Zu wissen, dass dort Jahrhunderte von Machtspaziergängen stattgefunden haben, macht die Stadt noch dichter, noch voller Geschichten.
Florenz ist ohnehin schon wie ein Museum unter freiem Himmel. Der Korridor fügt eine weitere Schicht hinzu – eine, die nicht sofort schreit „Schau mich an!“, sondern still bleibt. Vielleicht genau deshalb so faszinierend.
Fazit
Der Vasari-Korridor ist kein klassisches Postkartenmotiv. Er ist ein Stück Stadtgeschichte, das Macht, Sicherheit und Kunst miteinander verbindet. Zahlen, Daten und Fakten zeigen: hier steckt weit mehr als nur ein Gang aus Stein.
Wer Florenz besucht, sollte ihn im Hinterkopf behalten. Vielleicht noch geschlossen, vielleicht bald wieder offen. Aber immer da. Über den Köpfen.
FAQ
Wann wurde der Vasari-Korridor gebaut?
1565, in nur fünf Monaten.
Wie lang ist er?
Ungefähr 760 Meter.
Wie breit ist er?
Meist nur 1 bis 1,3 Meter.
Wer nutzte ihn?
Die Medici, später als Galerie, heute Museumsverwaltung.
Kann man ihn aktuell besichtigen?
Nein, seit 2016 geschlossen. Wiedereröffnung geplant, aber Termin unklar.
Welche Kunstwerke befinden sich dort?
Über 1000 Selbstporträts von Künstlern aus Europa und darüber hinaus.
Labels
Florenz, Vasari-Korridor, Toskana, Ponte Vecchio, Giorgio Vasari, Medici, Renaissance, Architektur, Italien Reisen, Sehenswürdigkeiten, Uffizien, Palazzo Vecchio, Palazzo Pitti
Meta-Beschreibung
Der Vasari-Korridor in Florenz – Geschichte, Architektur, Zahlen und aktuelle Infos. Von den Medici erbaut, über der Ponte Vecchio verlaufend, später Kunstgalerie: ein 760 Meter langer Geheimweg im Herzen der Stadt.
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